Nachtisch

Herr Wohllieb hasst Supermärkte. Woher soll man wissen,welche der 52 Nudelsorten die richtige ist? Es gibt verwirrend viele Gänge, die man alle durchstreifen muss auf der Suche nach einem Paket Reis. Am Ende liegen drei Tütensuppen und ein Sparschäler für Artischocken im Wagen, und man weiß nicht, warum.

Dennoch betritt Herr Wohllieb hin und wieder einen Supermarkt, weil er nicht verhungern will. Genauer gesagt: einmal die Woche.

Als er seinen Wagen durch die Reihen schiebt, verspricht ein Glas Apfelmus 20 Prozent mehr Inhalt, und von den Schokoladenriegeln gibt es einen zusätzlich gratis. Auch sein Joghurt hat zugelegt: »50 Gramm Extraschlemmen« befiehlt das Etikett. Da stutzt Herr Wohllieb, denn bisher entsprach ein Becher Joghurt der idealen Nachtisch-Menge. Vielleicht will ich ja gar nicht mehr, denkt Herr Wohllieb, weil mir dann schlecht wird. Ein Glas Schokocreme zum Beispiel reicht für genau drei Wochen, jedenfalls nach Herrn Wohlliebs Berechnungen. Was ich dann essen will, weiß ich noch nicht. Eventuell Hering in Senfsoße. Wer weiß schon, worauf er in drei Wochen Appetit hat? Wenn ein Glas plötzlich 40 Prozent mehr Inhalt enthält, müsste ich also mehr Schokocreme pro Tag essen. Und dann würde mir schlecht.

»Ja«, wendet Sophie ein, »aber stellen Sie sich vor, Sie erhielten plötzlich 40 Prozent mehr Leben. Das wäre doch nicht so schlecht …«

»Woher wüsste ich denn, wie es gemeint ist? Bedeuten 40 Prozent, ich bekäme zu meinen statistischen 78 Jahren weitere 31,2 Jahre dazu? Was, wenn mich in diesen 31 Jahren ständig Zahnschmerzen quälten? Und selbst wenn alles weiterginge wie bisher – wer sagt denn, dass Glück größer wird, wenn es länger dauert?«

 

aus: Herr Wohllieb sucht das Paradies

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