Hütchenspieler

Als Jesus überraschend seine Kirchenmitgliedschaft kündigt, wirft Erna Kozlowski den Staublappen hin. 37 Jahre hat sie den Altar abgestaubt und die Kaugummis der Konfirmanden von den Bänken gepult. Alles für den Herrn Jesus. Aber wenn der feine Herr jetzt zum Dank das Weite sucht, kann sie das auch. Dann macht sie Urlaub auf Mallorca, da träumt sie schon ihren Lebtag von, aber wer nur montags bis samstags Zeit habt, kommt höchstens bis Meschede im Sauerland. 

In der Kirche wird es still. Der Organist ist schon vergangenen Herbst an multiplem Organversagen verschieden, und die letzte Konfirmandin meldet sich ab, weil sie jetzt selbst Influencerin ist. Jesus hat das kommen sehen, der Öffentlichkeitsbeauftragte hat ihm dennoch den Insta-Zugang verweigert und stattdessen eine Neuauflage der Bibel in poppigem Pink angeregt. Jesus wirft ein paar Tische um, auch Tastaturen fliegen durch die Luft, eine Mediatorin wird einbestellt, und man gründet nach siebzehn-monatigem Findungsprozess die Stabsstelle Kommunikation, für die sich Jesus aufgrund mangelnder Qualifikation als ungeeignet erweist. Er wird zornig, sehr zornig, und nach dem Zorn kommt die Gleichgültigkeit und was dann kommt, verfolgt niemand mehr.

Aus der Kirche wird ein Zentrum für Zukunftsprozesse. Es erhält einige lobende Erwähnung für energieeffizientes Heizen.

Die Bibel wird auch in Türkis gedruckt.

Erna Kozlowski nimmt eine Stelle als Facility-Managerin in der Filiale einer Imbiss-Kette an. Es heißt, dort träfe sie Jesus öfter umringt von einer beachtlichen Gruppe Neugieriger, er habe erstaunliche Tricks auf Lager, wie ein Hütchenspieler. Aber das kann sich niemand recht vorstellen, so tief würde doch selbst Jesus nicht sinken. Die Pommes aber seien tatsächlich besser als gedacht.

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Kommentare: 4
  • #1

    Christiane Schiller (Montag, 20 März 2023 06:56)

    …. manchmal abends - so hört man - gäbe es in der Nähe der Pommes Bude auf den „ Stadtmöbeln“ ( so heißen Bänke mit Mittelstreben, dass bloß keine/r/s ohne eigenem Bett und Dach darauf schläft) kleine Versammlungen und Diskussionsgruppen. Mit dem, den sie Jesus nennen. Sie malen auch Plakate. Für die Freitagsdemos. Und die Frauen und Mädchen weltweit. Und die Menschen, die dort mit Sehnsucht zum Treffen kommen geben später Trostworte auch ein ansteckendes wärmendes Lächeln ( und Bücher und Wollstrümpfe und wärmende lustige Schals sowie leckeres Obst) weiter an andere, in deren Alltag und Miseren hinein. Es ist eine Bewegung, die mit einem Raunen anfing, Klagen eingeschlossen und nun wie einem Frühlingserwachen weitergeht. Mit Menschen guter Hoffnung. Und der, den sie Jesus nennen, sitzt dann da und lächelt still in sich hinein, schaut mal zum Himmel dann sagt er was von Ruach - und trinkt genussvoll einen großen Schluck Apfelsaftschorle.

  • #2

    Beate (Donnerstag, 23 März 2023 07:32)

    Was ist Kirche?
    Kirche - das sind wir!
    Du und ich
    und wo zwei oder 3 versammelt sind,
    da ist er mitten unter uns...

    Aber nie vergessen:
    Sich über etwas ärgern ist das Eine,
    es besser - oder auch nur gut - zu machen DAS ANDERE!

    Alles Liebe

  • #3

    Gudrun (Sonntag, 26 März 2023 16:11)

    … so treffend, so genial auf den Punkt gebracht. Es ist eine Freude Ihre Texte zu lesen. Immer wieder.
    Danke !!!

  • #4

    Yvonne Maisenbachre (Montag, 27 März 2023 14:03)

    Vielen Dank für die vielen wundervollen Texte, Worte, Gedanken, die inspierieren Jesus überall zu finden...

 

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