Die Mutigen

Die Welt war schon mal besser. Sie war aber auch schon mal schlechter. Heute werde ich nicht als Hexe verbrannt, was der Uroma meiner Uroma durchaus noch hätte passieren können. Meine statistische Lebenserwartung liegt bei 83 Jahren, während in der Steinzeit 30 Jahre schon ein langes Leben waren – und das bei ständigem Zahnschmerz. Trotzdem will ich nicht so tun, als sei alles in Butter. Das ist es nicht. Aber hej – Hoffnungslosigkeit können wir uns nicht leisten. Was wir brauchen, ist Rückenwind: Geschichten, die davon erzählen, wie wir die Welt verbessern können, während die Ewig-Gestrigen sich immer noch über angebliche Gender-Pflicht und Wurstverbote aufregen. Geschichten, die Lust auf Zukunft machen. Weil sie davon erzählen, dass viel mehr möglich ist. Dass längst Leute auf dem Weg sind, dass es Verbündete an jeder Straßenecke gibt (und wenn nicht dort, dann im Freundeskreis, in Aktionsbündnissen, in der Kommunalpolitik, in Kirchengemeinden, auf Ehrenamtsplattformen). Phantasie ist der Anfang. Was heute noch nicht ist, könnte morgen Wirklichkeit sein. Zum Beispiel könnten wir in zehn Jahren darüber lächeln, dass Autos einst durch Innenstädten fuhren, während nun Straßencafés und Fahrradwege menschenfreundlich sind. Natürlich gäbe es einen Mobilitätsservice für alle, die ihn brauchen. In einer der vielen Kirchen ist ein Indoor-Spielplatz eröffnet, mit Familienberatungsstelle. In einem Raum der Stille schaukeln 15 Hängematten. Natürlich gibt es auch noch Gottesdienste. Wunschlieder werden auf einer Playlist bei Spotify gesammelt. Einfach zu lernen und sehr aktuell. Die Dächer der Bürotürme sind begrünt. Dachgartenpatenschaften sind begehrt, und das Klima in der Stadt ist um 3,6 Grad kühler geworden. In ländlichen Regionen gibt es immer häufiger genossenschaftliche Läden. Neben einem festen Sortiment unverderblicher Waren werden auch Frau Lübkes Tomaten verkauft und Günthers Käsekuchen. Bürokratische Hürden und einst viel zu strenge Auflagen gehören der Vergangenheit an. Der Staat hat gelernt, dass mehr Vertrauen in Bürgerinnen und Bürger zu mehr Zufriedenheit führt. Dafür gibt es andererseits mehr Kapazität zur Verfolgung von Briefkastenfirmen und Steuerbetrug.

Träumerei? Auf jeden Fall! Denn „so weit ich weiß, sind die mit den guten Geschichten immer die Mutigen“, singen Silbermond. Das ist mein Soundtrack für diesen Tag.

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Kommentare: 15
  • #1

    Gundolf (Dienstag, 12 August 2025 18:56)

    Liebe Susanne,
    Danke für die schönen Zeilen.
    Dass heute schon so manches (wieder) möglich ist, das erleben wir gerade im Schwarzwald

  • #2

    Gundolf (Dienstag, 12 August 2025 18:59)

    Ich bin hoffnungsvoll, dass es auch Berlin schaffen kann, wieder eine lebenswerte Stadt zu werden. Die nächste Wahl kommt schneller, als so mancher denkt.
    Sonnige Grüße aus Zarten ...

  • #3

    Deliah (Mittwoch, 13 August 2025 14:05)

    Gundolf im Sonnigen Zarten! So nah bei Freiburg! Ich freu mich mit Euch. Ich fühle: würdest Du aus der Dreisam einen rundgewaschenen Stein fischen, in die Sonne legen, und dann in Berlin in einen begrünten Dachgarten legen oder an einen Ort, der Dir wichtig ist - mit guten Wünschen für diese Stadt. Ist das möglich?
    Wenn ich früher in Freiburg war, gab's an Straßenecken den Eismohr - das kalte Vanille-Eis in warme Schokolade getaucht. Ich dachte an diesen Genuß Anfang Juli, als Susanne das Softeis mit Streuseln zeigte. Und Ihr seid so nah am Freiburger Münster ...

  • #4

    Gundolf (Freitag, 15 August 2025 17:46)

    Der Kiesel ist nicht mitgekommen, aber viele schöne Eindrücke. Zum Beispiel die Wanderung durch die Ravenna-Schlucht mit dem Viadukt zum Start. Und dann durch das Höllental zu fahren und im Himmelreich anzukommen.

    Und das allerbeste haben wir gerade im Zug nach Berlin erlebt, fast genau so, wie ich es in einer Kurzgeschichte las:
    Ein Zugführer, der nach 50 Dienstjahren gerade seine letzte Fahrt absolviert (hat).
    Schon im Bahnhof Freiburg standen einige mit seinem neuen Fahrtziel »(Un-)Ruhestand« auf einem Schild am Bahnsteig gaaaaanz vorne. Kurz vor Karlsruhe wurde dies auch im Zug durchgesagt und dem Kollegen gedankt für die 50 Jahre Dienst.
    In Karlsruhe nahm ihn dann (offensichtlich) seine Familie und Freunde in Empfang, ebenfalls mit großen Plakaten. Mit Enkel auf dem Arm sah er noch glücklicher aus, der Zugführer.

    @Susanne: war diese Kurzgeschichte nicht von dir?

  • #5

    Deliah (Samstag, 16 August 2025 12:56)

    Du wärst der Hirte für diesen Lichtbogen 'ZartenBerlin' gewesen. Du warst die Augustmöglichkeit. Wir freudenwort Freunde kennen Dich seit vielen Jahren. Ich traute mich zu fragen.
    Mir wurde erzählt, in die 'WohnzimmerKirche 26. September' wurde ein Stein aus Israel für das Taufbecken gebracht, und auch der See Genezareth angedeutet. Welch guter Lichtbogen.

    Bis Oktober 1975 lebte ich für ein Jahr in Freiburg. Es bleibt ein Glücksland. Manchmal reiste ich in die Heimat, möglicherweise mit dem Zugführer, der jetzt glücklicher Pensionär ist.
    Alles Liebe!

  • #6

    Helmut (Donnerstag, 21 August 2025 11:16)

    … You may say I'm a dreamer
    But I'm not the only one
    I hope someday you'll join us
    And the world will be as one…
    Hab' ich gestern Abend singen gehört. Tat gut.

  • #7

    Birger (Donnerstag, 21 August 2025 15:05)

    Ist das ein Zufall gewesen?
    Oder hast du den Song bewusst aufgelegt?
    Wer ist der Sänger?

  • #8

    Gundolf (Freitag, 22 August 2025 18:04)

    Die Geschichte vom letzten Arbeitstag eines Lokführers, die habe ich wiedergefunden.
    Getreu des Motto „hätte sein können“, also von Susanne Niemeyer, war sie dann doch von Birgit Kummer und heißt »Die Gratulation«, ich fand sie nach einigem Suchen im Internet durch Tipps dort auch bei mir im Regal, in dem Buch »Freude – Schätze aus 20 Jahren Der Andere Advent«.
    Wer das Buch nicht hat, der kann die Geschichte ergoogeln.

  • #9

    Deliah (Sonntag, 24 August 2025 21:23)

    .... eben gelesen. Danke Gundolf. Danke Birgit. Danke Susanne.
    Und die Menschen, die eine Rose genommen haben, sind auch beschenkt, für allezeit.

  • #10

    Karin (Samstag, 30 August 2025 06:59)

    Für mich der schönste Song von John Lennon: lg an alle
    Imagine there's no heaven
    It's easy if you try
    No hell below us
    Above us, only sky
    Imagine all the people
    Livin' for today
    Ah
    Imagine there's no countries
    It isn't hard to do
    Nothing to kill or die for
    And no religion, too
    Imagine all the people
    Livin' life in peace
    You
    You may say I'm a dreamer
    But I'm not the only one
    I hope someday you'll join us
    And the world will be as one
    Imagine no possessions
    I wonder if you can
    No need for greed or hunger
    A brotherhood of man
    Imagine all the people
    Sharing all the world
    You
    You may say I'm a dreamer
    But I'm not the only one
    I hope someday you'll join us
    And the world will live as one

  • #11

    Birger (Samstag, 30 August 2025 10:31)

    Wir pflanzen eine Rose an Euren Weg, Karin. Herzlichen Dank!

  • #12

    Helmut (Samstag, 13 September 2025 19:03)

    @Birger: Karin hat schon den ganzen Text des Liedes von John Lennon geteilt. Ich hab' das Lied zum letzten Mal von den "Les Brünettes" gehört. Das ist ein Frauen-Ensemble, die einige Lieder von den Beatles auf ihre Weise eingesungen haben. Es war ihr letztes Lied an einem Mittwochabend auf einer Bühne im Freien in unserem Ort - und es tat einfach gut. Und es passt zu diesem Freudenwort vom Träumen.

  • #13

    Birger (Sonntag, 14 September 2025 12:09)

    @ Helmut ; ein Traum ! als du das erstemal vom gehörten Singen erzähltest, war ich begeistert, denn zur selben Zeit redeten wir über die beiden Sätze vom Träumersein, meine Freundin und ich. Wir hatten keine Schallplatte im Haus, um sie im Lied zu hören. Eines Tages hat Karin den song hierhergeschenkt . Danke vielemal . Du durftest ihn auch noch unterm Sommerhimmel hören an jenem Abend .... freut mich sehr !
    Wirklich, es hat gutgetan .


  • #14

    Lucien (Mittwoch, 17 September 2025 11:44)

    @ träumen .
    Ist mir jetzt eingefallen, als ich eine Geige im Radio hörte
    Vor mehreren Jahren habe ich eine Geschichte gelesen: von drei Menschen, die in ihren Träumen miteinander gesungen haben. Eines Tages wurde einer von ihnen durch einen Schicksalsschlag entführt und isoliert. Verbundenheit haben sie gespürt. remmi. Sie haben gewusst, sie sind ein gutes Trio. Aber Siedler aus anderen Ländern, Unbekannte, versuchten durch seltsame Tricks zu stören. Der Chor war kaum noch zu hören. Die Fremden hatten Rufmord eingeschaltet Weil das gebliebene Duo nichts hörte, haben sie den Jäger des Dorfs gebeten, den Vermissten zu suchen. zu finden. Ich, Lucien, konnte die Story leider nicht zu Ende lese, weil der Wecker schellte. Mir wird klar, dass Chorsänger sich nie von aussen beeinflussen lassen sollten. Wenn ich selber einmal in einen Chor eintrete, werde ich dieses Wissen ganz sicher befolgen. Heute will ich, Duet von Steve einlegen. Die Violine spielt Daniel.

  • #15

    Fanny (Dienstag, 23 September 2025 13:35)

    Heute schwärmte die Moderatorin im Radio - wie genial es doch sein würde, das Fenster zu öffnen und immer frischen Kaffeeduft zu schmecken, wenn sie neben einer Kaffeerösterei wohnen würde .... Sie hatte wohl vorher von einer bestimmten Rösterei berichtet.
    Bald schrieben Hörerinnen, daß der Geruch um solch eine Rösterei gar nicht so angenehm wäre. Nicht zu vergleichen mit dem Aroma, an das wir jetzt alle denken ....
    Mir ist eingefallen, wenn ich bei Rewe die Bohnen frisch gemahlen habe und sie dann pulverig mit dem griffbereiten Tesa in die Tüte lagerte, habe ich den Duft immer sehr genossen. Und dann an der Kasse, fragte SIE "Darf ich mal?" Gern öffnete ich das Schatzpaket, und sie fühlte sich gestärkt und happy. Die Menschen nach mir am Band auch.

 

Au ja! Ich möchte wissen, was es Neues gibt