Alleskönner

Ole ist mein allerkleinster Freund. Er ist vier. Ich bin über vierzig. Wir verstehen uns blendend. Gestern fragte Ole: „Gibt es Alleskönner?“ Ich überlegte, und mir fiel beim besten Willen niemand ein. Nicht mal Großmütter sind Alleskönner, obwohl sie nah dran sind. Also sagte ich: „Vielleicht Gott.“ Ich sah, wie es in Oles Kopf ratterte. Er dachte nach. Ich auch. Wenn Gott alles kann, könnte er Kriege beenden, Brötchen an Bettler verteilen, den Nordpol um ein paar Grad herunterkühlen und den Mördern die Gewehre wegnehmen. Tut er aber nicht. Manche sagen: Er könnte schon, er will nur nicht. Das wiederum will ich mir gar nicht vorstellen. So ein Gott wäre ziemlich kaltherzig. Bleibt nur die Möglichkeit, dass er doch kein Alleskönner ist.

Es gibt Menschen, die tun so, als könnten sie alles. Sie haben immer einen Schraubendreher, fünf Pflaster, ein Apfelkuchenrezept und eine passende Antwort in der Tasche. Sie stellen keine Fragen, weil sie ja schon alles wissen. Sie sind mir unsympathisch. Wenn einer alles kann, braucht er keine anderen mehr. Eine Welt voller Alleskönner wäre eine Welt voller Einzelgänger. Vielleicht dachte Gott: Alles Können ist auf acht Milliarden Menschen besser verteilt, als auf einen einzigen Gott. Ole kann gute Fragen stellen. Und aus Sand Kuchen backen. Ich kann Mut machen und Brötchen schmieren. Wir sind zwei. Das ist doch schon mal ein Anfang.

 

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