Januarmorgen

Das Jahr ist nicht mehr ganz frisch. Es hat schon Moos angesetzt, kein Wunder bei dem ganzen Regen, der doch eigentlich Schnee sein sollte. Aber er richtet sich nicht nach mir, vielleicht fühlt er sich flüssig ganz wohl. Im neuen Jahr soll man sich verändern, überall Aufbruch, mir wird schwindelig davon. Ich finde, der Januar ist ein Monat, in dem man erstmal atmen kann. Bevor man losstürmt, wer weiß wohin. Ausatmen. Die Kaffeetasse sehen. Einatmen. Die Kontoauszüge taxieren. Einatmen. Einen Schluck Kaffee trinken. Ausatmen. Die leeren Stifte wegwerfen. Einatmen. Die E-Mails erst in zwei Stunden lesen. Ausatmen. An Harry, Meghan, den Sommerurlaub, das Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen, Wandfarbe, an nichts und alles denken. Einatmen. Nicht behaupten, dass das eine Meditationsübung sei. Ich schmiege mich in die Halskuhle des Januars und denke, wie weich doch Moos ist.

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Kommentare: 3
  • #1

    Elke (Freitag, 24 Januar 2020 13:39)

    Eine äußerst liebevolle Beschreibung des angebrochen Jahres. Und darin steckt so viel Leben. DANKE, für deine in Worte gefasste Bilder!

  • #2

    Gudrun (Sonntag, 26 Januar 2020 12:43)

    Was für eine wunderbare Januar-Beschreibung. Langsam antraben. Das kommt mir so sehr entgegen. Danke!

  • #3

    Caro (Samstag, 08 Februar 2020 17:27)

    5 x an Freund*innen verschickt und 5 x Begeisterung geerntet. Das mach ein Fanclub von sechs Beschenkten! Danke!

 

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